IT-Controlling: Steuerungswerkzeug der Krankenhaus-IT
Wollen Kliniken ihre IT-Struktur zum strategischen Service-Center ausbauen, müssen Kosten und Leistungen transparent sein. Dr. Uwe Günther, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Sanovis, beleuchtet die Konzeption und Einführung des IT-Controlling-Werkzeugs TIP HCe in den Kliniken Oldenburg, Neuss und Soest.
Der deutsche Gesundheitsmarkt befindet sich aufgrund des immensen Kostendrucks, der steigenden Qualitätsanforderungen, des Einzug haltenden transsektoralen Wettbewerbs sowie der andauernden Gesetzesänderungen in einem tiefgreifenden Wandel. Alle beteiligten Akteure und insbesondere die Krankenhäuser sind gefordert, sich dieser veränderten Situation zu stellen und ihr Marktverhalten entsprechend anzupassen und zu ökonomisieren. Dies erfordert die zunehmende Realisierung von Kosteneinsparungspotenzialen sowie die Schaffung neuer Fähigkeiten und Leistungen durch die IT, aber auch in der IT.
Die Konsequenzen für die Krankenhaus-IT sind ein hoher Informations- und Kommunikationsbedarf im Krankenhaus, das Erkennen von Information und Wissen als wesentlicher immaterieller Vermögenswert und Produktionsfaktor, die Schaffung strategischer Wettbewerbsvorteile durch Informationsbereitstellung (KIS als wesentliches Element) und ein zunehmender Bedeutungsgewinn der IT-Services zur Sicherstellung der Informationsverfügbarkeit. Die IT-Organisation und Qualifikationen der Mitarbeiter sind dabei entscheidend für reibungslose Abläufe und funktionierende Systeme. Entsprechend dieser essenziellen und strategischen Positionierung im Krankenhaus muss die IT als „Unternehmen im Unternehmen“ forciert werden. Erst dann entsteht ein tatsächlicher Nutzen (Profit) beim Endanwender (Kundenseite).
IT meist ohne Strategiekonzept
Dem gegenüber steht jedoch leider die Erkenntnis, dass es den deutschen Krankenhäusern derzeitig am notwendigen Instrumentarium des IT-Controllings mangelt. Die IT wird als reines Cost-Center ohne strategische Ausrichtung betrieben, es herrscht vollkommene Intransparenz bezüglich des Geschehens in der IT vor, es existiert keine verursachergerechte Verteilung der IT-Kosten etc. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Somit ergeben sich die für die meisten Krankenhäuser typischen Fragestellungen zur IT in der täglichen Praxis: Welche Leistungen erhalte ich als Unternehmen durch die IT für mein „Geld“? Wie kann ich plausibel und nachvollziehbar meinen aktuellen beziehungsweise zukünftigen IT-Personalbedarf ermitteln? Bei welchen IT-Leistungen sind wir intern günstiger oder teurer als externe Anbieter? Ist für unser Unternehmen der Kauf oder die Miete von Software wirtschaftlicher? Wie kann ich die Kosten für das Rechenzentrum verursachungsgerecht auf IT-Services verteilen? Welcher klinische Bereich bindet in welchem Umfang IT-Ressourcen? Wie verändern sich unsere IT-Kosten, wenn sich das medizinische Leistungsspektrum ändert?
Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen des Entscheiderfabrik-Projekts „IT-Controlling als Wegbereiter vom reinen Cost-Center zum strategischen Service-Center“ TIP HCe zum IT-Controlling und zur IT-Leistungsverrechnung bei den Einrichtungen Klinikum Oldenburg, Städtische Kliniken Neuss Lukaskrankenhaus und Klinikum Stadt Soest unter Beteiligung der Unternehmensberatung Sanovis konzipiert und eingeführt. Das Projekt wurde von Udo Purwin, CIO des städtischen Klinikums Neuss Lukaskrankenhauses, initiiert und inhaltlich gemeinsam mit Ralf Boldt, IT-Leiter des Klinikums Oldenburg, sowie TIP HCe in einem ersten Konzeptentwurf aufbereitet.
IT ist kein Selbstzweck
Das Primärziel der beteiligten Kliniken ist, ein Werkzeug für das IT-Controlling und die IT-Leistungsverrechnung einzuführen. Im Mittelpunkt des Vorhabens steht die Intention, die Leistungen der IT transparent und sichtbar zu machen, um somit eine einheitliche Perspektive auf Kosten, Leistungen und Nutzen der IT herzustellen. Dadurch erwartet man sich eine Verbesserung des Ressourceneinsatzes sowie die Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Auch soll die Erhöhung der Transparenz als die Grundlage für relevante IT-Entscheidungen dienen sowie dabei helfen, Kostensenkungspotenziale zu erkennen. Die zentrale Forderung und Zielsetzung ist allerdings, die IT in strategische Unternehmensentscheidungen miteinzubinden – IT ist kein Selbstzweck!
Konzept des Controlling-Werkzeugs
- Als grundsätzlicher Lösungsansatz wurde innerhalb der Projektgruppe das nachfolgende mehrstufige Vorgehen beschlossen:
- Erstellung eines normierten IT-Leistungskatalogs für Krankenhäuser
- Definition eines Erfassungs- und Kalkulationstools für IT-Leistungen (Konfigurator)
- Erarbeitung von standardisierten Verteilungsmodellen für Aufwände (Hotline, Schulungen, Speicherplatz etc.)
- Erstellung Standardberichtswesen (IT-Reporting)
- Definition von „benchmarkfähigen“ Kennzahlen
- Aufbau von krankenhausspezifischen Leistungsgruppen (IT-Leistungsgruppen)
Den zentralen Baustein für das IT-Controlling und die IT-Leistungsverrechnung bildet ein weitgehend standardisierter Katalog von IT-Leistungsgruppen (ITLG). Dies erfordert jedoch häufig eine grundlegend andere Einstellung und Sichtweise der Krankenhaus-IT, die sich als Dienstleister am Kunden verstehen muss. Die Sicht der Kunden (Fachbereiche und Anwender) auf die IT-Leistungen unterscheidet sich von der internen Sicht der IT-Organisation. Zum Beispiel denken Fachbereiche in der Regel nicht im Sinne von Installation und Administration von Serversystemen und Netzwerken, jedoch sehr wohl im Sinne von dem für sie greif- und verstehbaren Begriff eines neuen Stations-Arbeitsplatzes oder eines neuen Internetzugangs.
Gerechte Verrechnungsmethode
Zweiter Baustein ist die Erarbeitung eines Erfassungs- und Kalkulationsmodells für die IT-Leistungsverrechnung. Grundlegend ist dabei, eine transparente und gerechte Verrechnungsmethode anzuwenden.
Nur tatsächlich erbrachte Leistungen sollen dabei abgerechnet werden, und es sollen alle Kosten verrechnet werden. Die Belastung der Leistungsempfänger soll proportional zur Inanspruchnahme erfolgen, sodass eine pauschalierte Kostenverrechnung vermieden wird und es zu keiner Subventionierung von IT-Leistungen durch andere Leistungsempfänger kommt. Übergeordnetes Ziel der Verrechnung der ITLG ist es, dass es sich um marktvergleichbare Preise handelt, da Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz der IT ansonsten infrage gestellt würden.
Benchmarkfähige Kennzahlen
Als Drittes ist ein weitgehend standardisiertes Messverfahren und Reporting für erbrachte IT-Leistungen und Kosten vonnöten. Dies ist wichtig, um die gewünschte Transparenz in der IT zu gewährleisten sowie den Verantwortlichen eine Steuerungsmöglichkeit des Kosten- und Ressourceneinsatzes zu geben. Als positiver Nebeneffekt des IT-Reportings ergibt sich auch die Erzeugung von „benchmark-fähigen“ Kennzahlen, etwa die durchschnittlichen IT-Kosten pro Arbeitsplatz, die Kosten pro GB Speicher oder die IT-Kosten pro Pflegetag. Die Umsetzung der Ziele und Anforderungen für das IT-Controlling soll auf Basis von TIP HCe erfolgen. Hier ist es erforderlich, die auszuwertenden Daten (Datenherkunft) möglichst automatisiert mittels Schnittstellen oder Import in das TIP HCe einzulesen, um Datenfehler und Implausibilitäten zu vermeiden sowie die schnelle Datenauswertung zu gewährleisten.
Kalkulationsschema ungeklärt
Im bisherigen Verlauf des Projekts konnten im Rahmen von diversen Workshops bereits sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Beispielsweise wurden der IT-Leistungskatalog sowie die Definition von Bezugsgrößen für die IT-Leistungsverrechnung abschließend bearbeitet. Als zentrale Herausforderungen des Projekts bestehen derzeit noch offene Fragen im Bereich des Kalkulationsschemas für die ITLG sowie bei der Ermittlung der Datenherkunft, insbesondere bei deren automatisierter Anbindung. Parallel dazu verlaufen die technischen Pilotierungen von TIP HCe bei den Kliniken Oldenburg, Neuss und Stadt Soest.
Artikel vom 10. März 2015