Ressourcenoptimierung im Gesundheitswesen
Wenn es sich im Gesundheitswesen um die Thematik der Ressourcen handelt, wird immer zuerst auf die personellen Ressourcen fokussiert, da diese gerade im Pflegebereich der Schweiz ca. 42% der Personalkosten (BFS, 2016) betragen. Oftmals vergessen wird dabei ein wichtiger Bestandteil an Ressourcen – die Material- und Sachkosten. Gerade hier liegen häufig „ganze Schätze“ in den einzelnen Stationen und Bereichen vergraben. Der zu berechnende regelmässig wiederkehrende Materialeinsatz darf bei der Gesamtkostenberechnung nicht unterschätzt werden. In der Regel gilt es hier, auch den meist einhergehenden und nicht zu verhindernden „Materialverlust“ genau zu prüfen. Gemeint sind hier Materialien, Infusionen und Medikamente, die vergessen werden, weil sie als Doppellager oder als Reserve der Reserve irgendwo existieren und nach Ablauf bzw. Verfall entsorgt werden müssen.
Auch auffallend ist in der Praxis oft, dass Materialien, Medikamente, Mobilien und medizintechnische Geräte in der gelagerten bzw. vorgehaltenen Menge überhaupt nicht benötigt werden. Die vorgehaltenen Mengen können erfahrungsgemäss, gerade bei den Pflegematerialien und Medikamenten sowie der Mietwäsche, um 30 – 65% reduziert werden. Würde man diesen Betrag beispielsweise umrechnen auf ein betriebenes Patientenbett, wären dies durchschnittlich ca. 2.500,- CHF pro Bett.
Im Rahmen der Hospitation ist auch immer wieder zu beobachten, dass „alle alles“ machen, oder aber dass lange Laufwege entstehen, da die Patientenzuteilung, Lage von Funktions- bzw. Lagerräumen und die persönliche Arbeitsorganisation nicht effizient geplant werden. Gerade hier kann im Hinblick auf einen optimalen und optimierten personellen Ressourceneinsatz einiges verbessert werden. Es wäre beispielsweise hier möglich, durch die Bildung von gut strukturierten und belegten Pflegezonen Personal mit einem entsprechenden Qualifikationsmix effizient einzusetzen. Zu beobachten ist hier, dass nicht nur die Patientenzufriedenheit steigt, sondern auch die der MitarbeiterInnen. Beobachtungsfaktoren dazu sind: Die MitarbeiterInnen wissen besser über die von ihnen betreuten PatientenInnen Bescheid. Wartezeiten an Schnittstellen können reduziert werden. Arbeiten müssen nicht mehr auf Grund von Störungen unterbrochen werden. Es fallen weniger Überstunden an. Die Resilienz steigt.
Werden die zur Verfügung stehenden Kennzahlen richtig interpretiert und ausgewertet, kann der Pflegealltag auch nach Kern- und Supporttätigkeiten getrennt werden. Somit ist es zum Beispiel möglich, etwaige nicht zu besetzende Stellen alternativ mit PharmaassistentInnen, LogistikerInnen oder Hotelfachangestellten zu besetzen. Praxisbeispiele zeigen hier, dass auch dies zu einer wesentlichen qualitativen Verbesserung der Arbeitsleistung aller Beteiligten führt. Der LEP-Cube von HCe kann hierzu alle erforderlichen Daten liefern, um solche Tätigkeitsprofile abbilden zu können.
Datenqualität und Kennzahlen
Eine gute Datenqualität ist die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Lösungsansätze. Nur verlässliche Daten ermöglichen die zielgerichtete Steuerung der Prozesse: „If you can‘t measure it, you can‘t manage it“ (Drucker, 1975). Die aus diesen Daten generierten Kennzahlen informieren in konzentrierter, zusammengefasster Form über die betrieblichen Sachverhalte. Sind diese Kennzahlen in einem Kennzahlensystem zusammengefasst, lassen sich Abhängigkeiten darstellen. Die Zielsetzungen eines Kennzahlensystems reichen von der Umsetzung der Unternehmensstrategie bis hin zur operativen Steuerung des Unternehmens.
Im Jahr 2014 betrug der Anteil der Pflegepersonalkosten in deutschen Krankenhäusern durchschnittlich 30,4% der Personalkosten bzw. 18,1% der Brutto-Gesamtkosten. Damit stellen die Pflegepersonalkosten neben den Personalkosten des ärztlichen Dienstes (18,8%) und den Aufwendungen für den medizinischen Bedarf (18,4%) die größte Einzelposition der Brutto-Gesamtkosten in deutschen Krankenhäusern dar. Deshalb sind die Pflegepersonalkosten im Krankenhaus einer der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Faktoren überhaupt.
Die Methode LEP ermöglicht es, die Pflegepersonalkosten differenziert zu betrachten. Mit Hilfe der LEP-Daten lassen sich bedeutende betriebswirtschaftliche Kennzahlen berechnen, wie zum Beispiel die Produktivität [LEPmin/h] des Pflegepersonals. Zudem lässt sich die Effizienz und Effektivität der Prozesse beurteilen. Grundvoraussetzung dafür ist eine sehr gute LEP-Datenqualität. Möchte man die eigene LEP-Datenqualität bewerten, muss man sich zunächst einen Überblick über das LEP-Datenflussschema verschaffen. Dabei sind alle beteiligten Subprozesse (in der Regel: Leistungserfassung, Personalzeiterfassung und Auswertung bzw. Validierung) zu berücksichtigen. Erst im Anschluss ist es möglich, die Einflussfaktoren zu identifizieren, zu klassifizieren und zu bewerten. Die Analyse hat gezeigt, dass systematische Fehler eine hohe Relevanz haben, wohingegen Einzelfehler größtenteils vernachlässigt werden können. Aus diesem Grunde sollte der Fokus bei der Fehlerkorrektur auch auf der Elimination von systematischen Fehlern liegen. Viel wichtiger als die Korrektur von Fehlern ist aber die vollständige und korrekte Leistungserfassung durch den Leistungserbringer. Regelmässige Schulung und Erfolgskontrolle (externe Validation) sind daher unerlässlich. Mit zunehmender Automatisierung (Leistungserfassung als Abfallprodukt der Leistungsdokumentation) nimmt die Anzahl der bedeutenden Einflussfaktoren ab (Jansen, 2013, S. 69). Geschieht die Automatisierung aber nicht methodenkonform, besteht die Gefahr, dass sich systematische Fehler einschleichen.
Aus dieser Erkenntnis ergibt sich der folgende Ablauf:
- Bewertung der LEP-Datenqualität
- Identifikation, Klassifizierung und Bewertung der Einflussfaktoren
- Optimierung der LEP-Datenqualität
- Fehleranalyse und Fehlerkorrektur
- Schulung der Leistungserfasser
- Automatisierung der Leistungserfassung (soweit möglich)
Erst wenn diese Arbeitsschritte erfolgreich durchgeführt wurden, ist die LEP-Datenqualität für eine weitere Verarbeitung der Daten ausreichend. Zu den weiteren Arbeitsschritten zählen dann:
Generierung und Einbindung von LEP-basierten Kennzahlen
LEP-basierte Prozessanalyse und Prozessoptimierung
Dem LEP-verantwortlichen Mitarbeiter kommt in diesem gesamten Prozess eine führende Rolle zu. Er ist maßgeblich für die LEP-Datenqualität verantwortlich. Er überprüft fortlaufend die Datenqualität und begleitet beratend jegliche Veränderungsprozesse, die die Leistungserbringer betreffen. Er benötigt dazu eine Fachexpertise in der Methode LEP.
Ist die Datenqualität erst einmal sichergestellt ermöglichen die LEP-Kennzahlen eine Vielzahl von standardisierten oder spezialisierten Aussagen. Hier nur einige Beispiele:
- Die Produktivität einzelner Abteilungen (Stationen) oder aber Bereiche (Kliniken) kann berechnet werden.
- Es lässt sich der benötigte Skill- und Grademix berechnen.
- Die Arbeitslastverteilung im Tagesverlauf lässt sich darstellen.
- Der Pflegeaufwand für einzelne Krankheitsbilder (DRGs) kann beziffert werden.
- Die Durchführungshäufigkeit einzelner Tätigkeiten wird transparent.
Mit Hilfe dieser und vieler weiterer Aussagen lassen sich vor allem die internen Prozesse bezüglich ihrer Effizienz und Effektivität bewerten und auch optimieren. Hierzu ist es möglich, im HCe z.B. ein automatisiertes Datenqualitäts-Kontrolltool in BIC zu erstellen, um so schnell und effizient eine klare Aussage mit Hinweisen zur aktuellen Datenqualität einer Station, eines Bereiches etc. zu erhalten.
Effizienz steigern und Synergien nutzen
Der Methodenansatz Lautenschlager/Loffing hat das Ziel, den Patientennutzen zu erhöhen und gleichzeitig die Produktivität zu steigern. Bezogen auf die täglichen Kern- und Supportprozesse werden die Instrumente sinnvoll erweitert und systematisch angewendet, um so die Prinzipien des Lean Managements erfolgreich implementieren zu können. Durch die Hospitationen und den durchgängig gewährten Bezug zum Kerngeschäft ist dieser Methodenansatz besonders erfolgversprechend. Wir sehen uns nicht als Berater, sondern als Teil des Unternehmens und können uns deshalb optimal integrieren. Es gelingt uns, die betriebsspezifische Kultur und deren historische Besonderheiten genauso wie die Mitarbeitenden gewinnbringend miteinzubeziehen.
Prinzip der Wertschöpfung
Der Ansatz, nach dem Prinzip der Wertschöpfung tätig zu sein und dabei Verschwendungen zu eliminieren, bedeutet einen kompletten Kulturwandel in einer Organisation. Um bei allen beteiligten Personen innerhalb der Institution eine nachhaltige Veränderung des Bewusstseins für die Notwendigkeit des Wandels zu erhalten, muss das Change Management konsequent und methodisch in der richtigen Reihenfolge angewendet werden. Das anzutreffende Organisationsbild und die Einstellung der Institution zu Projekten sind für den Erfolg des Change Managements elementar.
Daher werden unter Einbezug der Betroffenen aufeinander abgestimmte Interventionen in den einzelnen Phasen geplant, die sowohl bei den Strukturen, Systemen, Prozessen und der Kultur des Unternehmens als auch beim individuellen Denken, Fühlen und Verhalten der einzelnen Organisationsmitglieder ansetzen und so die Veränderung und das Handeln individuell fördern.
Projektvorgehen
Um eine erfolgreiche Implementierung neu gestalteter Strukturen und Prozesse zu gewährleisten, wurde der Projektablauf des Methodenansatzes Lautenschlager/Loffing so gewählt, dass dieser immer in vier Phasen stattfindet. Durch die dabei eingesetzten Analyseinstrumente findet immer eine 360°-Betrachtung statt. Konkret bedeutet dies zuerst eine Hospitation in den verschiedenen interdisziplinären Diensten. Anschliessend folgt eine Schulung der involvierten Abteilungsleitungen, Kaderpersonen und Stellvertretungen zum Einsatz des Analyseinstruments. Letztere bearbeiten im Anschluss einen strukturierten Fragenkatalog zur Abteilungs- oder Bereichsanalyse, und es folgt eine Ableitung von künftigen Abläufen und Ressourceneinsätzen. Parallel findet eine Begleitung der Fragenbearbeitung durch Workshops und individuelle Einzelbegleitungen statt. Abschliessend werden die Ergebnisse durch die Abteilungs- oder Bereichsleitungen präsentiert. Die Umsetzung selbst erfolgt im Rahmen einer Meilensteinplanung. Durch diese systematische Standardisierung (nach dem Standard-Work-Prinzip) wird erreicht, dass sich die Optimierungen zu mehr Effektivität und Effizienz im Arbeitsalltag der Mitarbeitenden integrieren. Im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) kann zudem gewährleistet werden, dass eine ständige Verbesserung im Sinne einer Lernenden Organisation gelebt wird.
Fragebogen zur 360°-Analyse
Um die Ansätze praxisorientiert und in einer einfachen und verständlichen Art und Weise anwenden zu können, wurde ein fragebogen-basierter Methodenansatz konzipiert, der es ermöglicht, die Betroffenen zu Beteiligten zu befähigen. Somit haben die MitarbeiterInnen die Möglichkeit, aktiv an der Neugestaltung mitzuwirken. Dies erhöht nicht nur die Akzeptanz für das „Neue“, sondern ermöglicht zudem einen fundierten Einblick in die einzelnen Prozesse und Strukturen.
Der Fragenkatalog kombiniert den Gemba-Walk (die Beobachtung des Prozesses und der Austausch mit den Prozessbeteiligten) mit der Wertstromanalyse, um die nicht wertschöpfenden Aktivitäten zu eliminieren bzw. deutlich zu reduzieren. Um die Wertstromanalyse und den Gemba-Walk mit einem guten Ergebnis beleuchten zu können, wird das Modell der soziotechnischen Analyse verwendet. Zudem beinhaltet der Fragenkatalog Elemente der 5-S-Analyse, um die Arbeitsplätze und ihr Umfeld sicher, sauber und übersichtlich zu gestalten.
Literatur:
Loffing, C. & Geise, St. (2009) (Hrsg.): Management und Betriebswirtschaft in der ambulanten und stationären Altenpflege (2. Aufl.), Verlag Hans Huber, Bern.
Loffing, C. (2010): Change Management im Gesundheitswesen. Pflegemanagement – Managementbeilage zur Zeitschrift Pflegerecht, 03, 4-6.
Loffing, C.; Krizek, I.; Horst, M. & Loffing, D. (2012): Strategisch denken – erfolgreich führen. Moderne Unternehmensführung in ambulanten Pflegediensten (Hrsg.), Schlütersche, Hannover.
Loffing, C. (2015): Erfolgreiches Change Management auf der Grundlage einer prospektiven Integration der Vielfalt an Herausforderungen. In: Steinbeis Stiftung (Hrsg.): Steinbeis Unternehmerforum – Kontaktplattform für KMU – Tagungsband (S. 42-45). Steinbeis-Edition, Stuttgart.
Stadler, C. (2007): Die vier Prinzipien für dauerhaften Erfolg. Harvard Business Manager, 10, 10-28.
Drucker, P. F. (1975): The Practice Of Management. Allied Publishers, Mumbai.
Jansen, I. (2010): Anforderungsprofil für ein Managementinformationssystem (MIS) für den Pflegedienst der Uniklinik Balgrist. Hochschule für angewandte Wissenschaften, St. Gallen.
Jansen, I. (2013): Identifikation relevanter Einflussfaktoren auf die LEP Datenqualität im Hinblick auf die Gegenüberstellung von LEP Pflegeaufwand und Personalzeit im Spital Uster. Donau Universität, Krems.
Statistisches Bundesamt (2015): Gesundheit – Kostennachweis der Krankenhäuser. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.
Artikel vom 28. November 2016