Spitalplanung Zürich
Nachhaltige Innovation aus der Schweiz:
Das Spitalplanungsmodell des Kantons Zürich
Ausgaben für Spitalkapazitäten und die stationäre Versorgung machen in vielen Ländern einen grossen Teil der Gesundheitsausgaben aus. Allerdings werden die Kapazitäten und Leistungen oft nicht umfassend und transparent geplant. Das führt in der Konsequenz zu einem Mangel an bedarfsorientiert geplanten stationären Einrichtungen und einer fragmentierten Versorgungslandschaft. Elena Bleibtreu und Prof. Dr. Alexander Geissler von der School of Medicine an der Universität St.Gallen beschreiben das Spitalplanungsmodell des Kantons Zürich, das darauf abzielt, Kapazitäten und Leistungen besser aufeinander abzustimmen.
Um eine langfristig ausgelegte und fundierte Lösung bezüglich dieser Problematik zu finden, wurde im Kanton Zürich in der Schweiz ein innovatives, umfassendes und datenbasiertes Spitalplanungsmodell entwickelt und im Jahr 2012 implementiert. Der Zyklus der Spitalplanungsplanungsperiode ist auf 10 Jahre ausgelegt. Das Modell wurde in den letzten 10 Jahren ausserdem umfangreich aktualisiert und weiterentwickelt. Das erklärte Ziel des Züricher Spitalplanungsmodells ist es, eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige, effiziente (d.h. langfristig finanzierbare) und leicht zugängliche stationäre Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Der Züricher Ansatz zeichnet sich zum einen durch eine sehr hohe Transparenz der Inhalte des Spitalplanungsmodells aus. Des Weiteren ist die Struktur des politischen Prozesses gut verständlich und leicht nachvollziehbar. Wie in Abbildung 1 gezeigt wird, werden durch mehrere Vernehmlassungen alle involvierten Akteure des Gesundheitswesens (Spitäler, Krankenversicherungen, Patientenorganisationen usw.) in den Planungsprozess einbezogen. Die Möglichkeit einer wirkungsvollen Teilnahme aller Interessierten am Planungsprozess führt zu einer breiten Akzeptanz des Ansatzes. Dies gilt nicht nur für den Kanton Zürich, in der Tat haben fast alle anderen Schweizer Kantone das Züricher Spitalplanungsmodell übernommen. Auch international stösst das Züricher Spitalplanungsmodell auf breites Interesse.
Um medizinische Leistungen im Kanton Zürich erbringen zu dürfen, müssen sich Schweizer Spitäler (nicht ausschliesslich Züricher Spitäler) bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich bewerben und nachweisen, dass sie die gestellten Anforderungen erfüllen. Der Kanton entscheidet dann bedarfsorientiert, welches Spital welche Leistungen erbringen darf. Zusammengefasst besteht das Spitalplanungsmodell des Kantons Zürich aus drei Hauptkomponenten, die in der Abbildung 2 dargestellt werden.
Die erste wichtige Komponente des Spitalplanungsmodells ist das Klassifikationssystem für medizinische Leistungen. Dieses Klassifikationssystem ordnet alle stationären Fälle in sogenannte Spitalplanungsleistungsgruppen (SPLGs) ein. Die SPLG-Zuteilung wird im Bereich stationäre Akutversorgung und seit der Spitalplanungsperiode 2022/23 neu auch in den stationären Bereichen Psychiatrie und Rehabilitation eingesetzt. Die Entwicklung aller SPLGs erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten verschiedener medizinischer Fachgesellschaften. Für das Spitalplanungsmodell hat die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich 2012 eine eigene Grouper-Software entwickelt, die einen konkreten stationären Fall eindeutig einer einzigen SPLG zuordnet. Die Gruppierungsalgorithmen basieren auf dem Katalog ICD-10-GM und dem Schweizerischen Operations- und Prozedurenkatalog (CHOP-Katalog). In der Akutsomatik gibt es 24 Leistungsbereiche: 149 Leistungsgruppen, davon sind 24 als hochspezialisierte Medizin klassifiziert. Dieses Angebot wird auf nationaler Ebene (schweizweit) geplant. In der Psychiatrie gibt es 25 SPLGs, und die Rehabilitation ist mit 22 SPLGs abgebildet.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Spitalplanungsmodells ist die stark datengestütze Bedarfsprognose, wie in der Abbildung 3 gezeigt wird.
Im ersten Schritt der Prognose wird die bisherige Nachfrage nach Gesundheitsleistungen umfassend analysiert. Im zweiten Schritt wird der zukünftige Versorgungsbedarf anhand statistisch erprobter Modelle und Methoden geschätzt. Wie im Versorgungsbericht der Gesundheitsdirektion Zürich erwähnt, wurden zur Bedarfsprognose mehrere Datensätze verwendet, darunter: (a) Datensatz der Medizinischen Statistik für alle stationären Fälle in Akut-, Psychiatrie- und Rehabilitationseinrichtungen des Bundesamtes für Statistik; (b) Datensatz zur Bevölkerungsprognose des Statistischen Amtes des Kantons Zürich; und (c) Datensatz Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (für die Berechnung der Hospitalisierungsraten) des Bundesamtes für Statistik.
Die dritte Komponente des Spitalplanungsmodells sind Evaluationskriterien aus den Bereichen Qualität, Wirtschaftlichkeit und Zugänglichkeit, die ein transparentes Verfahren bei der Vergabe der SPLGs gewährleisten sollen. Die Qualitätskriterien bestehen aus allgemeinen, vom Leistungsspektrum unabhängigen Anforderungen (z.B. Dokumentation in den Bereichen Patientenmanagement, Qualitätsmanagement, Hygienemanagement etc.) und aus spezifischen Anforderungen für die verschiedenen Leistungsgruppen (z.B. Mindestfallzahlen medizinischer Leistungen, Zertifizierungen, Personalausstattung, Intensivpflegegrade etc.). Die wirtschaftliche Stabilität von Spitälern wird anhand von Indikatoren zur Kosteneffizienz und Liquiditätsplanung bewertet. Die Zugänglichkeit von Behandlungen am richtigen Ort innerhalb einer vorher festgelegten Zeit ist ein weiteres wichtiges Bewertungskriterium des Spitalplanungsmodells. Dabei wird zwischen elektiven Behandlungen und Notfallaufnahmen unterschieden.
Das Ergebnis des Züricher Spitalplanungsmodells ist die sogenannte Spitalliste. Diese Liste enthält alle Spitäler, welche die vordefinierten Qualitäts-, Effizienz- und Zugangsanforderungen erfüllen. Die Spitäler auf der Liste erhalten vom Kanton Zürich einen Auftrag zur stationären Behandlung ausgewählter Leistungsgruppen. Die Liste enthält nicht nur Spitäler aus dem Kanton Zürich, sondern auch Spitäler aus anderen Kantonen, die sich erfolgreich bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich um einen Behandlungsauftrag beworben haben. Abschliessend lässt sich aufgrund des nachhaltigen, langfristig ausgelegten und datenbasierten Spitalplanungsmodells erwarten, dass in den nächsten 10 Jahren eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige, ökonomisch effiziente und räumlich erreichbare Gesundheitsversorgung im Kanton Zürich sichergestellt ist.
Abb. 1: Etappen der Spitalplanung, Quelle: Versorgungsbericht 2021. Gesundheitsdirektion Kanton Zürich
Abb. 2: Grafische Darstellung der Hauptkomponenten des Spitalplanungsmodells (Kanton Zürich)
Abb. 3: Prognosemodell der Akutsomatik, Quelle: Versorgungsbericht 2021. Gesundheitsdirektion Kanton Zürich
Artikel vom 30. November 2021