Krankenhausplanung in NRW

Eine Blaupause für ganz Deutschland?

Dr. Wolfgang Fiori erläutert in diesem Artikel den Ansatz von Nordrhein-Westfalen, der darauf abzielt, über das Element der Krankenhausplanung mit Leistungsgruppen Strukturveränderungen anzustoßen. Die folgenden Ausführungen basieren auf den Rahmenvorgaben, die am 29. September 2021 im Ausschuss Arbeit, Gesundheit und Soziales diskutiert wurden (Vorlage 17/5764). Nachträgliche Änderungen in den Rahmenvorgaben und weiteren Verwaltungsvorschriften sind möglich.

Das G-DRG-System hat seit seiner Einführung zu einer deutlichen Steigerung der Effizienz in der medizinischen Leistungserbringung beigetragen. Dennoch nimmt die Unzufriedenheit mit dem G-DRG-System in den letzten Jahren immer weiter zu. Mit ein Grund dafür dürfte sein, dass kleinere Krankenhäuser oder Fachabteilungen mit geringen Fallzahlen Schwierigkeiten haben, ihre Vorhaltekosten noch mit den DRG-Erlösen zu refinanzieren. Auf der anderen Seite setzt eine Fallpauschalierung Anreize, über Leistungssteigerungen Skaleneffekte zu realisieren. Viele Krankenhäuser sahen sich daher gezwungen, medizinische Angebote aufzubauen, um mehr Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Gerade undifferenzierte Versorgungsaufträge in den bedeutenden Gebieten der Inneren Medizin und Chirurgie ließen hier den Krankenhäusern einen relativ großen Spielraum.

Eigentlich bedürfte es einer Reform des bundesweiten Vergütungssystems mit einer stärkeren Berücksichtigung der Kosten für eine bedarfsnotwendige Vorhaltung. Die Notwendigkeit für eine solche Reform wurde vom bisherigen Gesundheitsminister zwar grundsätzlich anerkannt, jedoch stets auf eine vorher notwendige Strukturreform in der Krankenhauslandschaft verwiesen [1]. Bei einer Reform des Vergütungssystems sollen dann nur noch bedarfsnotwendige Vorhaltungen und keine Überkapazitäten oder regional redundante Strukturen gefördert werden. Die Krankenhausplanung liegt aber ebenso wie die Finanzierung der Investitionskosten im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Trägervielfalt und Auswahlmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten sind zudem bislang unbestrittene Grundsätze der Krankenhausfinanzierung.

Der Blick in die Wahlprogramme fast aller großen Parteien für die Bundestagswahl zeigt, dass die Probleme des Zusammenhangs zwischen Krankenhausplanung sowie Betriebs- und Investitionskostenfinanzierung erkannt wurden. Vielfach wird eine Mitgestaltung der Bundesebene bei der Krankenhausplanung angedacht. Dass die Bundesebene Einfluss auf die Krankenhausstrukturen nimmt, ist indes nicht neu. Insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) greift über seine Richtlinien und Regelungen mittelbar in die Ausgestaltung der Krankenhausstrukturen und deren Finanzierung ein (z.B. Planungsrelevante Qualitätsindikatoren, Qualitätssicherungs-Richtlinien, Personalausstattung-Psychiatrie-und-Psychosomatik-Richtlinie, Mindestmengenregelungen, die zukünftig auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität enthalten können, gestuftes System der Notfallstrukturen, Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs in der Notfallversorgung, Sicherstellungszuschläge, Zentrums-Regelungen). Aber auch unabhängig vom G-BA gestaltet die Bundesebene über Förderung (Krankenhausstruktur- und -zukunftsfonds) und Forderung (Pflegepersonaluntergrenzen, Pflegepersonalquotient) die Versorgungsstrukturen bereits mit. Wenn auch ursprünglich nur als Instrument zum Bürokratieabbau geplant, werden auch die Strukturprüfungen des MD nach § 275d SGB V Auswirkungen auf die regionalen Versorgungsstrukturen haben und können damit in Konflikt mit der Krankenhausplanung der Bundesländer treten.

Die neue Krankenhausplanung in NRW

Die neue Krankenhausplanung in NRW kann damit auch im Kontext eines Wettbewerbs um die Hoheit über die Gestaltung der Krankenhausstrukturen gesehen werden. NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland mit 20-25% aller bundesweiten Fälle und Krankenhausbetten. Entscheidungen, die in NRW getroffen werden, haben damit bereits rein quantitativ eine Auswirkung auf die bundesweite Versorgung. Am 20. August 2021 wurden die Grundzüge der neuen Krankenhausplanung in NRW vorgestellt [2] und am 29. September die konkretere Rahmenplanung [3] im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales diskutiert.

Kernelement der neuen Krankenhausplanung ist, dass die Planung anhand von Betten aufgehoben und durch eine Planung von Fällen pro sogenannter medizinischer Leistungsgruppe (LG) ersetzt wird. Grundlage sind insgesamt 64 LG, die 32 Leistungsbereichen (LB) zugeordnet sind. Die LB orientieren sich an den Weiterbildungsordnungen (WBO) der Ärztekammern und dienen vornehmlich der Strukturierung der LG. Jedem LB werden eine oder mehrere LG zugeordnet. Die LG bilden jedoch das zentrale Steuerungselement der Krankenhausplanung: Die den jeweiligen LG zugehörigen Leistungen dürfen von einem Krankenhaustandort nur erbracht werden, wenn die LG im Feststellungsbescheid auch zugewiesen wurde.

Die LG unterteilen sich nochmals in sogenannte allgemeine und spezifische LG. Spezifische LG wurden überall dort geschaffen, wo Leistungen als besonders steuerungsnotwendig erachtet wurden. Häufig – aber nicht immer – handelt es sich um komplexere Leistungen, für die eine Konzentration auf weniger und damit höher spezialisierte Standorte angestrebt wird. Spezifische LG weisen fast immer eine Falldefinition, meist über OPS-Kodes und ggf. ergänzt über ICD-Kodes und/oder das Alter, auf. Dies erlaubt eine relativ exakte Bedarfsermittlung und quantitative Zuweisung der Leistungen. Krankenhausstandorte, die diese LG im Feststellungbescheid nicht zugewiesen bekommen haben, dürfen diese Leistungen (außer in Notfällen und anderen näher definierten Ausnahmesituationen) nicht erbringen. Die allgemeinen LG definieren sich dagegen über die WBO. Wurde einem Krankenhausstandort im Feststellungsbescheid eine allgemeine LG zugewiesen, darf das gesamte Leistungsspektrum der WBO erbracht werden, soweit die betreffenden Leistungen nicht einer spezifischen LG zugewiesen sind. Aufgrund der fehlenden spezifischen Falldefinition erfolgt die Bedarfsermittlung über Fälle, die aus einer Fachabteilung mit entsprechendem Fachabteilungsschlüssel nach § 301 SGB V entlassen wurden.

Qualitative Vorgaben

Wenn sich ein Krankenhausstandort auf eine LG bewerben will, muss er bestimmte qualitative Mindestvoraussetzungen erfüllen. Darüber hinaus werden auch weitere qualitative Kriterien vorgegeben, an denen sich die Planungsbehörden bei Auswahlentscheidungen orientieren sollen. Die qualitativen Vorgaben unterteilen sich in Abhängigkeiten (Erbringung verwandter Leistungsgruppen), die Vorhaltung von Geräten, fachärztliche Vorgaben sowie sonstige Struktur- und Prozesskriterien auf Bundes- und Landesebene. Mindestfallzahlen wurden trotz der gesetzlichen Möglichkeit (§ 13 Abs. 1 KHGG) nicht genutzt.

Bei den Abhängigkeiten werden in der Regel für komplexere LG die LG der Grundversorgung (LG „Allgemeine Innere Medizin“, LG „Allgemeine Chirurgie“ und LG „Intensivmedizin“) oder weitere sinnvolle ergänzende LG gefordert. Für Fachkliniken, die keine Grundversorgung anbieten, bestehen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von dieser Regel. Die LG „Intensivmedizin“, die bei fast allen LG als Abhängigkeit gefordert wird, weist drei unterschiedliche Level an Qualitätsanforderungen („Basis“, „Komplex“ und „Hochkomplex“) auf. Bei den Abhängigkeiten von der LG „Intensivmedizin“ wird bei den einzelnen LG daher auch immer das notwendige Mindestlevel der Qualitätsanforderung der LG „Intensivmedizin“ mit angegeben.

Für viele LG werden drei am Standort beschäftigte Vollzeitäquivalente (VZÄ) näher bestimmter Facharztqualifikationen vorgegeben. Ebenso ist in der Regel ein durchgängiger Rufdienst (24/7) mit der entsprechenden Facharztqualifikation vorgesehen. In einzelnen LG wird von dieser Regel abgewichen. So sind beispielsweise für die LG „Interventionelle Kardiologie“ fünf VZÄ der Facharztqualifikation „Innere Medizin und Kardiologie“ sowie bei der LG „Minimalinvasive Herzklappenintervention“ zwar nicht explizit, dafür aber über die Abhängigkeiten von den LG „Interventionelle Kardiologie“ und dem LB „Herzchirurgie“ jeweils 5 VZÄ mit den Facharztqualifikationen „Innere Medizin und Kardiologie“ und „Herzchirurgie“ vorzuhalten. Das letzte Beispiel zeigt, dass die qualitativen Vorgaben in ihrer Konsequenz nicht immer intuitiv zu verstehen sind. Insbesondere durch die Abhängigkeiten von anderen LG und damit deren qualitativen Vorgaben entsteht ein komplexes Zusammenspiel, in dem bei Verlust des Versorgungsauftrags für eine LG nicht leicht zu antizipierende Auswirkungen auch für andere abhängige LG resultieren können. Hinzu kommt, dass die gewählten Formulierungen bei den fachärztlichen Vorgaben und vor allem bei den sonstigen Struktur- und Prozesskriterien Interpretationsspielraum lassen. Derzeit ist es für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar, welche konkrete Intention bei einzelnen Vorgaben verfolgt wird. Es bleibt abzuwarten, ob angekündigte weitere Verwaltungsvorschriften zu einer Präzisierung beitragen. Insbesondere im Hinblick auf den resultierenden Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten wird spannend, welche konkreten Nachweise gefordert werden bzw. ob diese für alle Mindestvoraussetzungen (z.B. das Vorhandensein eines EKG-Geräts) regelhaft beigebracht werden müssen.

Planungsebenen und Erreichbarkeit

Jeder LG wird zudem eine Planungsebene zugewiesen, für die der Bedarf ermittelt und die Zahl der Standorte in regionalen Planungskonferenzen festgelegt werden soll. Für die LG der Grundversorgung (LG „Allgemeine Innere Medizin“, LG „Allgemeine Chirurgie“ und LG „Intensivmedizin“) und die LG „Geriatrie“ stellt der Kreis bzw. die Kreisfreie Stadt die Planungsebene dar. Dabei ist für die LG der Grundversorgung eine Erreichbarkeit von maximal 20 PKW-Fahrzeitminuten für mindestens 90% der Bevölkerung, maximal jedoch 30 PKW-Fahrzeitminuten vorgesehen. Für die LG „Allgemeine Kinder- u. Jugendmedizin“ und „Geburten“, die auf der Ebene der 16 Versorgungsgebiete beplant werden sollen, werden maximal 40 PKW-Fahrzeitminuten zugrunde gelegt. Für weitere LG der Notfallversorgung (z.B. „Stroke Unit“, „Interventionelle Kardiologie“), die ebenfalls auf der Ebene der Versorgungsgebiete beplant werden sollen, werden in den Rahmenvorgaben keine Vorgaben zur Erreichbarkeit gemacht. Die meisten LG sollen zukünftig auf der Ebene der fünf Regierungsbezirke beplant werden. LG für hochkomplexe Leistungen (z.B. Organtransplantationen, Kinderherzchirurgie, Cochleaimplantate, etc.) werden auf der Ebene der beiden Landesteile beplant. Die Planungsebenen der jeweiligen LG können der Tabelle 1 entnommen werden. Der Rahmenplan sieht vor, dass auf der jeweiligen Planungsebene mindestens ein Standort die Leistungen der LG anbieten soll. Es handelt sich aber ausdrücklich um eine Mindestvorgabe und keine Regelgröße.

Regionale Planungskonzepte

Die Umsetzung des Krankenhausplans soll in so genannten regionalen Planungsverfahren erfolgen, in denen die Krankenhäuser und die Landesverbände der Krankenkassen über regionale Planungskonzepte verhandeln. Im Vergleich zu den bisherigen regionalen Planungskonzepten soll das Verfahren zeitlich deutlich gestrafft und durch ein digitalisiertes und vereinheitlichtes Verwaltungsverfahren strukturiert werden. Die Leitung der regionalen Planungsverfahren obliegt den Bezirksregierungen, die bei Bedarf eine externe oder eine Moderation durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hinzuziehen können. Ziel ist ein Konsens unter allen Beteiligten. Nach Abschluss der regionalen Planungsverfahren erfolgt die rechtliche und inhaltliche Prüfung durch das MAGS, die Anhörung un-/mittelbar Beteiligter und weiterer Akteure sowie die abschließende Entscheidung im MAGS. Die regionalen Planungsverfahren sollen 2022 stattfinden, damit für 2023 erste Feststellungsbescheide durch die Bezirksregierungen verschickt werden können. Ob der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann, bleibt abzuwarten.

In den regionalen Planungsverfahren sollen die Versorgungsaufträge an die sich bewerbenden Krankenhausstandorte verteilt werden. Zu berücksichtigen ist dabei die ermittelte Bedarfsprognose. Zunächst soll die Höchstzahl der Standorte, die einen Versorgungsauftrag erhalten können, festgelegt werden, ohne dass es hierzu konkrete quantitative behördliche Vorgaben gibt. Ausgangspunkt ist das aktuelle Versorgungsgeschehen unter besonderer Berücksichtigung der bestehenden Leistungserbringer. Übersteigt jedoch die Anzahl der sich bewerbenden Standorte die Höchstzahl, sind Auswahlentscheidungen vorzunehmen. Bei den Beratungen und Entscheidungen in den regionalen Planungsverfahren sind Erreichbarkeit, Auswahlmöglichkeiten, Trägervielfalt, aber auch die Vermeidung von regionalen Mehrfachvorhaltungen in unmittelbarer räumlicher Nähe, soweit sie nicht durch das Bedarfsvolumen und/oder andere Besonderheiten der Versorgungssituation gerechtfertigt sind, zu berücksichtigen. Aspekte der Wirtschaftlichkeit finden in der Form Eingang, dass der Versorgungsauftrag einen Umfang (Fallzahl) haben soll, der eine wirtschaftliche Tragfähigkeit der Leistungserbringung für das jeweilige bedarfsnotwendige Krankenhaus erwarten lässt. Ebenso ist der wirtschaftliche Betrieb eines bedarfsnotwendigen Krankenhausstandortes oder einer bedarfsnotwendigen Krankenhausabteilung zu berücksichtigen. Von der Vorgabe eines Orientierungswertes (Zielwert der durchschnittlichen Versorgungskapazität je LG) hat das MAGS jedoch abgesehen. Für jede LG wurde eine Schwankungsbreite vorgesehen, innerhalb derer Krankenhausstandorte von der im Feststellungsbescheid festgelegten Versorgungskapazität abweichen dürfen (s. Tabelle 1).

Die Bedarfsprognose für die LG auf den Planungsebenen basiert auf den Versorgungsdaten aus 2019, die unter Berücksichtigung der antizipierten demografischen Entwicklung, Ambulantisierung und Verweildauertrends fortgeschrieben wurde. Die Modelle basieren größtenteils auf politisch gesetzten Annahmen. Auch aufgrund der Auswirkungen der Coronapandemie, des erwarteten neuen Katalogs nach § 115b SGB V (AOP-Katalog) und der Regelungen zu den Einzelfall- und Strukturprüfungen nach §§ 275c und 275d SGB V wird eine Neuberechnung 2024 angestrebt.

Wie können sich Krankenhäuser in NRW auf den neuen Krankenhausplan vorbereiten?

Die Krankenhäuser in NRW sollten die verbleibende Zeit nutzen und sich intensiv mit den neuen Rahmenvorgaben des Krankenhausplans auseinandersetzen. Im Rahmen dieses Beitrags konnten nur die Grundzüge angerissen werden (s. daher auch [4]). Vielfältige und wichtige Ausnahmen und Besonderheiten müssen beachtet werden (z.B. besondere Regelungen für internistische und chirurgische Teilgebiete, die Geriatrie sowie die Palliativmedizin; Besonderheiten in der Geburtshilfe und Neonatologie bzw. für Neugeborene; Vorhaltungen von so genannten „Angeboten“; Sonderregeln für Fachkliniken, Tageskliniken, die belegärztliche Versorgung, internistisch geführte Stroke Units/Tele-Stroke-Units, u.v.m.). Etwaige noch folgende Verwaltungsvorschriften sind zu beachten.

Ausgehend von der Analyse des derzeitigen Leistungsportfolios unter Berücksichtigung des Systems der LG sollte geprüft werden, ob Mindestvoraussetzungen erfüllt werden bzw. welche Investitionen notwendig sind, damit diese erfüllt werden können. Dabei sind die Abhängigkeiten von anderen LG mit zu berücksichtigen. Eine Betrachtung in Leistungsclustern bietet sich an, auch um mögliche Synergieeffekte zu identifizieren. Für LG, in denen Auswahlentscheidungen auf der Planungsebene wahrscheinlich sind, sollte auch die Erfüllung der Auswahlkriterien mit einbezogen werden.
Sinnvoll erscheint zudem eine Umfeldanalyse: Sind Auswahlentscheidungen wahrscheinlich, weil viele Standorte in räumlicher Nähe vergleichbare Versorgungstrukturen aufweisen? Welchen Einfluss wird die Krankenhausplanung möglicherweise auf die umgebenden Standorte haben? Neben dem Verlust von Versorgungsaufträgen kann auch eine (quantitative) Ausweitung des Versorgungsauftrags resultieren, wenn bisherige Mitbewerber ausscheiden. In diesem Fall können sogar Investitionen notwendig werden, um die Versorgungskapazitäten auszuweiten.

Um die Verhandlungsposition in den regionalen Planungskonferenzen zu stärken, kann eine vorherige Abstimmung des Leistungsangebots und der Leistungsvolumina unter den sich bewerbenden Krankenhäusern günstig sein. Ein proaktives Vorgehen könnte erfolgreicher sein als ein konfrontativer Wettbewerb, da die Krankenkassen gemeinschaftlich sicher an einer Reduktion der Krankenhausstandorte interessiert sind.

Die Rahmenvorgaben fordern eine Vielzahl von Kooperationen, wenn qualitative Vorgaben nicht am Standort selbst vorgehalten werden können. Diese Kooperationen müssen vertraglich fixiert und auf Dauer angelegt sein. Sie müssen inhaltliche und organisatorische Regelungen im Hinblick auf das jeweilige Qualitätskriterium beinhalten (Angaben zu Kooperationspartnern und deren Eignung, Angaben zu Kooperations-/Leistungsort und -inhalt, Angaben zur zeitlichen Verfügbarkeit) und der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde in Form eines schriftlichen Kooperationsvertrages vorgelegt werden.

Zu beachten ist zudem, dass die richtigen Leistungsmengen für den richtigen Standort beantragt werden. Die Bedarfsplanung und möglicherweise auch die Formulare, die für die regionalen Planungskonferenzen befüllt werden müssen, basieren auf den Daten nach § 21 KHEntgG. Der Datensatz weist einen Fallbezug aus. Bei Krankenhäusern, die unter einer einheitlichen IK-Nummer mehrere Standorte betreiben, können etablierte krankenhausinterne Verlegungsketten zwischen unterschiedlichen Standorten bestehen (z.B. zur Geriatrie an einem anderen Standort). Für die Bedarfsprognose werden LG immer konsequent nur dem entlassenden Standort zugeordnet. Auf der Planungsebene spielen Fehlzuordnungen zu Standorten in der Regel eine ungeordnete Rolle, da die unterschiedlichen Standorte einer IK meist in derselben Planungsebene liegen. Für die wirtschaftliche Analyse und Bewertung der Auswirkung der neuen Krankenhausplanung auf das einzelne Krankenhaus und ggf. die einzelnen Standorte ist jedoch eine differenzierte Betrachtung wichtig. Es ist dann darauf zu achten, dass Leistungen dem richtigen Standort zugeordnet werden. Gerade in Zusammenhang mit den LG „Geriatrie“ und „Interventionelle Kardiologie“ kommt es auch häufig zu Mehrfachleistungen in Bezug zu den LG (z.B. LG der Endoprothetik oder LG „Stroke Unit“ in Zusammenhang mit der LG „Geriatrie“). In der Bedarfsprognose auf der Planungsebene wird eine Hierarchie eingesetzt, so dass einem Fall immer nur eine einzige LG zugeordnet wird. Für ein einzelnes Krankenhaus, das solche Kombinationsleistungen erbringt, kann jedoch der Einsatz der Hierarchisierung zu einer erheblichen Fehlschätzung der Leistungsmenge in relevanten LG führen. Es sollte daher immer auch die vollständige Leistungsmenge ermittelt werden. Analog wäre zu analysieren, ob bei einem Verlust eines Versorgungsauftrags für eine LG der gesamte Fall oder – bei einer über den LG-Inhalt hinausgehenden Behandlung – nur ein Anteil davon verloren geht.

Fazit

Der neue Krankenhausplan für NRW bietet das Potenzial, Strukturveränderungen anzustoßen. Es wird sich jedoch noch in der Praxis zeigen müssen, ob es tatsächlich zu den gewünschten Effekten kommt. Strukturveränderungen brauchen Zeit und ebenfalls eine begleitende ausreichende Finanzierung. Bei der Bevölkerung, den Trägern und den Mitarbeitenden muss um Akzeptanz geworben werden. Langwierige juristische Auseinandersetzungen sind nicht unwahrscheinlich. Parallel könnte es daher trotzdem zu einer Ausweitung der Einflussnahme durch die Bundesebene kommen. Ob und wie das bundesweite DRG-Vergütungssystem mit den neuen krankenhausplanerischen Ansätzen zurechtkommt, bleibt abzuwarten. Länderspezifische qualitative Vorgaben, die zu unterschiedlichen Betriebskosten führen, können nur schwer in ein bundesweit einheitlich vergütendes System integriert werden. Fraglich ist, ob der Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche (DRG-)Leistung“ dann noch aufrechterhalten werden kann.


[1] Spahn auf dem Krankenhausgipfel der DKG am 16.09.2020 in Berlin: Dt. Ärzteblatt (2020): Bundesgesundheitsminister Spahn kann sich Reform des DRG-Systems vorstellen.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/116571/Bundesgesundheitsminister-Spahn-kann-sich-Reform-des-DRG-Systems-vorstellen oder Spahn auf dem Gesundheitskongress des Westens 2021 in Köln: Ärztezeitung vom 07.09.2021: Spahn sieht kein schnelles Ende der DRG.
https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Spahn-sieht-kein-schnelles-Ende-der-DRG-422609.html

[2] Pressemitteilung des Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20.08.2021:
https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/mehr-bedarfsorientierung-mehr-qualitaetsorientierung-mehr-patientenorientierung

[3] Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen 2021. Vorlage 17/5764
https://www.landtag.nrw.de/home/der-landtag/tagesordnungen/WP17/2000/E17-2022.html (Download am 26.09.2021)

[4] Roeder N., May P.-J., Kösters R., Fiori W. (2021) Neuausrichtung der NRW-Krankenhausplanung, das Krankenhaus, 10:873-892

Abb. 1: Krankenhausplanung sowie Betriebs- und Investitionskostenfinanzierung hängen zusammen

Abb. 2: Sind stringente Krankenhausplanung und Wettbewerb vereinbar?

Tab. 1: Liste der Leistungsbereiche (LB) und Leistungsgruppen (LG); WBO: Weiterbildungsordnung, QFR-RL: Qualitätssiche-rungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene des G-BA, Allg.: Allgemeine, Spez.: Spezifische, Plan-Ebene: Planungsebene, Reg.Bez.: Regierungsbezirk, Vers.Geb.: Versorgungsgebiet, QA: Qualitätsanforderung; allgemeine LG sind gelb markiert

Artikel vom 24. November 2021