Pflegemanagement im neuen Gewand

Vom quantitativen zum qualitativen Ansatz

Während in der Vergangenheit Berichtswesen vornehmlich auf die Auswertung administrativer Daten ausgerichtet war, wird mittlerweile der Fokus auf eine inhaltliche Betrachtungsweise des medizinischen und pflegerischen Geschehens gelegt. Dabei werden in letzter Zeit quantitative Aufstellungen vermehrt durch qualitative Fragestellungen ergänzt oder durch diese gänzlich abgelöst. Diesem Ansatz hat sich auch die KABEG verschrieben, die mit TIP HCe ein Berichtssystem für modernes Pflegemanagement umsetzt. Claudia Oberdorfer, Sachgebietsleitung Pflegemanagement, und Gregor Haslauer, Leitung Controlling, erläutern das Konzept der ganzheitlichen Pflegesteuerung mithilfe der Methoden ePA® und LEP® sowie eines Data Warehouses.

Expertensystem Krankenhaus

Das Unternehmen Krankenhaus wird modellhaft in der Organisationstheorie als Expertensystem umschrieben. Zahlreiche funktional aufgebaute Fürstentümer prägen nach wie vor den organisatorischen Aufbau- und Ablaufprozess. Die gemeinsame Klammer stellen der Behandlungsprozess der Patienten bzw. der Patientenpfad dar. Systemrelevant sind dabei nicht mehr nur Medizin und Pflege, sondern auch sekundäre und tertiäre Prozessteilnehmer geraten vermehrt in den Fokus der Betrachtung. Eine gemeinsame Schnittmenge aller am Behandlungsprozess Beteiligten ist die Dokumentation am Patienten an sich. Diese hat in den vergangenen Jahren einen Transformationsprozess durchlaufen hin zur papierlosen Dokumentation in elektronischen Fieberkurven und Patient Charts, wodurch die Grundlage für eine technische Auswertung gegeben ist.

Technische Durchdringung trifft inhaltliche Anforderungen

Aufgrund der vielfältigen Prozessausprägungen sind Krankenhausinformationssysteme (KIS) hochkomplexe Systeme, welche, bedingt durch die Experten-orientierte Ausprägung der Organisation Krankenhaus, gepaart mit der Genese in der jeweiligen Organisation, in ihrem Reifegrad noch eher kommunikativ und nicht integrativ ausgerichtet sind. So ist zwar eine technische Durchdringung in weiten Teilen auf hohem Niveau gegeben, eine technische Integration aufgrund der vielfältigen Subsysteme jedoch nur bedingt vorhanden. Somit ist es umso wichtiger, in verzweigten Organisationen einen definierten Standard zu etablieren und das organisatorische Expertenmodell über definiert zulässige Abweichungen bzw. Ergänzungen abzubilden. Dies ist eine der zentralen Voraussetzungen für einen Outcome-orientierten Berichtsansatz.

Vom quantitativen zum qualitativen Ansatz

Waren in der Vergangenheit Auswertungen und Data Warehouse-Lösungen vorwiegend auf die Abrechnung und die Auswertung administrativer Daten ausgerichtet, wird mittlerweile der Fokus auf eine inhaltliche Betrachtungsweise des medizinischen und pflegerischen Geschehens gelegt. Das Berichtswesen, welches vordergründig auf quantitative Aufstellungen ausgerichtet war, wird vermehrt durch qualitative Fragestellungen ergänzt oder durch diese gänzlich abgelöst. Diesem Ansatz hat sich die KABEG verschrieben, um mit der TIP HCe-Lösung ein Outcome-orientiertes Berichtssystem im Pflegebereich umzusetzen.

Fokus Pflege

Die KABEG hat sich zum Ziel gesetzt, technische Lösungen und Ressourcen intensiver zu nutzen, um die Praxis mit wertvollen Informationen zu versorgen. Die Analyse von vorhandenen Daten und deren Umwandlung in verwertbare Informationen stellt für die Mitarbeiter der Medizin und Pflege, aber auch des Verwaltungsdienstes eine wertvolle Ressource zur Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung und Steuerung dar. Auch Patienten- und Mitarbeitersicherheit sollen dadurch gefördert werden.

Das LKH Villach, ein Haus der KABEG, hat sich speziell im Pflegebereich der Analyse von Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeiterverfügbarkeit und Qualitätsmanagement über Softwarelösungen verschrieben. Die strategischen Ziele wurden im Bereich der Patientensicherheit beim Selbstpflegeindex und der Risikoeinschätzung angesetzt und im Bereich Mitarbeitersicherheit bei einer höheren Akzeptanz der gesetzlichen Vorgaben zur Minimierung der Dokumentation analog zum geltenden GuKG.

Personalengpässe, welche aufgrund eines Mangels an verfügbaren Fachkräften auftraten, veranlassten die Pflegedirektorin, Maßnahmen zu setzen, um das vorhandene Pflegepersonal in seiner Tätigkeit zu entlasten. Die Entscheidung „weniger ist mehr“ als Maßstab für die täglichen Herausforderungen einzuführen, führte dazu, ePA® als neue Methode zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit der Patienten zu verwenden. Dies hat den Vorteil, dass die umfassenden Daten aus dem KIS zu Zuständen der Patienten und Tätigkeiten am Patienten standardisiert und strukturiert vorliegen und hervorragend analysiert werden können.

Das Konzept ePA®/LEP®

Die gewählte Methode ePA® umfasst ein Datenmodell, welches auf mehreren Basis-Assessments aufbaut und ständig weiterentwickelt wird. Wesentliche Elemente, die auch im LKH Villach zur Anwendung kommen, sind ePAAC® (AcutCare für die somatische Akutversorgung), ePAPSYC® (stationäre Versorgung psychisch erkrankter Menschen) und ePAKIDS® (für die pädiatrische Versorgung von Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen).

epaAC® ist ein standardisiertes und valides Instrument, bei dem jeder Patient durch eine Einschätzung ein Datenprofil über den Zustand, ein Risikoprofil und den zu erwartenden Pflegeaufwand (SPI = Selbstpflegeindex) erhält. Der vergleichbare Ist-Zustand, das Ziel und der Soll-Zustand nach Entlassung werden ebenfalls erfasst. Dadurch kommt es zu einer Entbürokratisierung und Standardisierung der Pflegedokumentation. Die Methode kann für diverse Ansätze im Pflegecontrolling genützt werden. Mit der ePAAC®-Methode werden wesentliche Risikofaktoren im Rahmen des Assessment erfasst und dementsprechend LEP-Leistungen abgeleitet, welche im ersten Schritt keine Pflegeplanung im pflegediagnostischen Prozess erfordern. Die Einführung von ePAAC@ führt zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung durch die interdisziplinäre Dokumentation und die Minimierung des Dokumentationsaufwandes.

In der KABEG ist bereits seit Jahren die Leistungserfassung Pflege (LEP®) im Einsatz und wird nun mit ePA® gekoppelt. LEP® ermöglicht die Erfassung und Dokumentation von pflegerischen Leistungen in definierten Standartzeitwerten. Der Einsatz ist in allen Bereichen der stationären Versorgung und Langzeitpflege sowie in den Ambulanzen möglich. Die Kombination von ePA® und LEP® ermöglicht es, die gesetzlich vorgeschriebene Pflegedokumentation mit zuverlässigen und relevanten Informationen über den Patienten zu kombinieren. Die mit den beiden Tools erstellten Einschätzungen bilden die Basis für die klinische Entscheidungsfindung im pflegediagnostischen Prozess.

Analysebereiche im Pflegemanagement

Zur gezielten Information der diversen Stakeholder im Pflegebereich werden die Daten auf mehrere Themenbereiche aufgeteilt.

  • Global: Diagnose, Diagnosearten, Alter usw.
  • Dashboard: mit Ziel einer Übersichtsdarstellung
  • Risikoausleitung zum Erkennen der Risiken: Risikoindikatoren wie z.B. Sturzrisiko, Mangelernährung, Dekubitusrisiko usw.
  • Risikoausleitung in Verbindung mit LEP®: Reaktion auf erkannte Risiken, Zielerreichung, Abweichungen, Interventionen
  • Zustandsdarstellungen: absolut, im Verlauf, vergleichend
  • Plausibilisierungen: Termintreue, Einschätzungsplausibilität, Dokumentationsqualität etc.
  • Wissenschaftliche Auswertungen ePA®/LEP®: Pflegeaufwand und Zustandsveränderungen, Interventionsprofil, Plausibilität der dokumentierten Daten
  • Datenverlauf im Praxisbeispiel
  • Das folgende Beispiel soll die Dokumentation und den Datenverlauf verdeutlichen: Ein Patient wird im stationären Bereich aufgenommen und die
  • Datenerfassung erfolgt im KIS. Die Daten werden sodann automatisiert in die jeweiligen Themenbereiche für das Pflegeberichtswesen übernommen. Im
  • nächsten Schritt erfolgt die Dateneingabe im Rahmen des medizinischen und pflegerischen Assessments. Hier ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit
  • eine wichtige Voraussetzung. Daten aus dem medizinischen Bereich wie z.B. die medikamentösen Verschreibungen und die Erhebung der
  • Vorerkrankungen liefern weitere Daten und risikorelevante Faktoren. Daraus lassen sich mittels epAAC® die Daten für die Risikoausleitung erfassen. Die
  • darauffolgende Planung der Pflegemaßnahmen sowie deren Durchführung liefern Daten für die Risikoausleitung in Verbindung mit LEP®.

Die erfolgte Planung, Durchführung und Aufnahme sowie die Einschätzung zur Zeit der Aufnahme und der Entlassung liefern Daten für den Bereich Plausibilisierungen. Letztendlich können noch Daten aus dem Pflegeaufwand und den Zustandsveränderungen sowie der zustandsbezogenen Interventionsprofile, aber auch Zustandsveränderungen für wissenschaftliche Auswertungen gewonnen werden.

Wird bei einem Patienten ein Sturzrisiko festgestellt, so erfolgt dies aufgrund von Indikatoren. Diese werden bei der Anamnese, aber auch im Verlauf des Krankenhausaufenthaltes analysiert. Kommt es nun trotz gesetzter Maßnahmen zu einem Sturz, kann eine genaue Analyse anhand der Daten erfolgen. Davon lässt sich ableiten, ob beispielsweise gesetzte Termine eingehalten wurden, der Pflegaufwand zu einer Zustandsveränderung geführt hat oder der individuelle Verlauf des Gesundheitszustandes sich aufgrund empfangener Pflegeleistungen verändert hat. Dieselbe Analyse ist auch möglich, wenn es dank gesetzter Maßnahmen zu keinem Sturz gekommen ist. Das heißt, hier erfolgt eine Analyse des Zustands zu Beginn und am Ende der Behandlung.

Umsetzung des integrativen Ansatzes mit einem Data Warehouse

Aufgrund des integrierten Ansatzes von ePA® und LEP® in sich und der vollständigen Integration in das KIS und in die Auswertungssystematik können die gewonnen Informationen auch in Bezug zu anderen Dateninhalten gesetzt werden. Hier bewähren sich die Möglichkeiten eines Data Warehouse mit einer zentralen Datenhaltung. So können kombinierte Fragestellungen wie z.B. zur Medikation, zur Laborbefundung, der medizinischen Dokumentation, bildgebenden Diagnostik und Intervention mitbetrachtet werden.

Ein wesentlicher Fokus bei der Projektumsetzung liegt dabei in der inhaltlichen Betrachtung von pflegerischen und medizinischen Fragestellungen. Der Begriff „Pflegemanagement“ stellt sich als sehr umfassend dar. So ist darin z.B. auch die Fragestellung enthalten, wie das System zur Steuerung in der Pflege vor allem im Managementbereich Unterstützung bieten kann. Die Methode ePA®/LEP® kann diese Aufgabe erfüllen. So ist es angedacht, die in der Primärdokumentation erfassten Daten für eine objektive Personalbedarfsdarstellung heranzuziehen. Dies dient zur Sicherstellung der pflegerischen, diagnostischen und therapeutischen Versorgungsqualität unter Berücksichtigung einer effizienten Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität.

Das bedeutet unter anderem die Möglichkeit der Plausibilisierung in den Pflegeeinheiten: wer macht was, wie oft, wie lange? Die aus der Analyse erhaltenen Ergebnisse sollen nicht nur in der Abteilung bzw. einem Haus aufschlussreiche Details ermitteln, sondern auch zwischen den KABEG-Häusern für ein künftiges Benchmarking verwendet werden. Ebenso bilden sie die Basis für eine zukunftsfähige Personalpolitik der Entscheidungsträger.

In der technischen Umsetzung soll zur Vermeidung von möglichen Doppeldokumentationen eine automatische Ableitung der LEP®-Leistungen aus der ePK erfolgen. Dies wurde in einem Pilotprojekt gemeinsam mit der KABEG, ORBIS und TIP HCe technisch vorbereitet. Die Ergebnisse aus der Methode ePA® und LEP® werden sodann mit zusätzlich erforderlichen Dateninhalten angereichert. Diese Datenanreicherung erfolgt entweder in den TIP HCe-Cubes oder direkt in der Berichtsaufbereitung. So sollen Inhalte, die für die Personalberechnung erforderlich sind, jedoch in der täglichen Dokumentation nicht benötigt werden, durch vereinfachte Verfahren, die direkt im System angebunden sind und in einem kurzen und begrenzten Zeitraum erhoben werden können, zur Verfügung gestellt werden. Durch die direkte Einbindung und Strukturierungsmöglichkeiten in TIP HCe sollen die Dateninhalte direkt bereitstehen. Hierbei wird nicht das Ziel verfolgt, einen täglichen Abgleich des Personaleinsatzes mit dem Pflegeaufwand abzubilden, sondern eine umfassende objektivierte Personaleinsatzplanung und Steuerung zu ermöglichen.

Artikel vom 21. April 2022

Abb. 1: Risikoausleitung und SPI; Darstellung im KIS (ORBIS) mit Vergleichswert

Abb. 2: Darstellung ausgewählter Patientenzustände mit Vergleich Zielwert zu Assessmenttypen (angelehnt an LEP®)

Abb. 3: Umsetzung des Pflegeprozesses mit den Instrumenten ePA-AC® und LEP®Nursing 3 (Quelle: Huhnstein, Sippel, Rode 2011)

Abb. 4: ePA® / LEP® Kreislauf ergänzt mit ausgewählten Informationen zur Berichtsdarstellung